[ Pobierz całość w formacie PDF ]
machte sich zwei Jahre lang zu ihrem Haushofmeister. Er
erklärte seiner Frau langsam und mit großem Geschick
alle Verhältnisse des Lebens, weihte sie Schritt für
Schritt in die Geheimnisse der hohen Gesellschaft ein,
brachte ihr die Genealogie aller adligen Häuser bei, lehrte
sie die Welt kennen, war ihr Berater in der Kunst der
Toilette und der Unterhaltung, führte sie von Theater zu
Theater, ließ sie einen Literatur- und Geschichtskursus
durchmachen. Diese Erziehung vollendete er mit der
Sorgfalt des Liebhabers, des Vaters, des Herrn und Gat-
ten. Doch hielt er in wohlverstandener Mäßigung mit den
Freuden und Lehren Haus, ohne die religiösen Vorstel-
lungen zu vernichten. Kurz, er führte sein Unternehmen
mit vollendeter Meisterschaft durch.
Nach Verlauf von vier Jahren hatte er zu seiner Genug-
tuung die Gräfin von Vandenesse zu einer der liebens-
würdigsten und hervorragendsten Frauen der Neuzeit
gemacht. Maria Angelika hegte für Felix genau das Ge-
fühl, das er ihr einzuflößen wünschte: wahre Freund-
schaft, vollempfundene Dankbarkeit und schwesterliche
Liebe, die sich zur rechten Zeit mit edler und würdiger
Zärtlichkeit mischte, wie sie zwischen Mann und Frau
herrschen soll. Sie wurde Mutter und war eine gute Mut-
ter. Felix fesselte seine Frau also durch alle möglichen
Bande an sich, ohne daß er sie zu knebeln schien. Von
den Reizen der Gewohnheit erhoffte er sich ein wolken-
loses Glück. Solche Weisheit und ein solches Verfahren
ist nur für Männer möglich, die das Leben von Grund aus
kennen und den Zirkel der Enttäuschungen in der Politik
wie in der Liebe durchmessen haben. Zudem hatte Felix
57
an seinem Werk eine echte Künstlerfreude, genau wie ein
Maler, ein Schriftsteller, ein Baumeister, der ein Denk-
mal aufrichtet. Ja, er genoß es doppelt, indem er sich sei-
nem Werk widmete und den Erfolg sah, indem er seine
erfahrene und naive, geistreiche und natürliche, liebens-
würdige und keusche Frau bewunderte, die, junges Mäd-
chen und Mutter zugleich, völlig frei und doch gefesselt
war. Die Geschichte der glücklichen Ehen gleicht der
Geschichte der glücklichen Völker. Sie läßt sich in zwei
Zeilen schreiben und hat nichts von Literatur. Und da das
Glück sich nur durch sich selber erklären läßt, so können
diese vier Jahre nichts liefern, was nicht zart ist wie das
Leingrau ewiger Liebe, fad wie Manna und nicht unter-
haltender als ein Schäferroman.
Im Jahre 1833 drohte das Gebäude des Glückes, das Fe-
lix gezimmert hatte, einzustürzen. Es war in seinen
Grundfesten erschüttert, ohne daß er es ahnte. Das Herz
einer fünfundzwanzigjährigen Frau ist nicht mehr das
gleiche, wie das eines achtzehnjährigen Mädchens, eben-
so wie das Herz einer Vierzigjährigen nicht das der Drei-
ßigjährigen ist. Es gibt vier Lebensalter im Frauenleben.
Jedes Alter schafft eine neue Frau. Sicherlich kannte
Vandenesse die Gesetze dieser Veränderungen, die Fol-
gen unsrer heutigen Sitten, aber er vergaß sie bei sich
selbst, wie der beste Grammatiker die Regeln vergessen
kann, wenn er ein Buch schreibt, wie der größte Feldherr
sich im Drange der Schlacht von den Zufällen der
Kriegslage hinreißen läßt, ein unumstößliches Gesetz der
Kriegskunst zu vergessen. Ein Mensch, der den Gedan-
ken fortwährend in die Tat umsetzen kann, ist ein Genie,
aber auch der genialste Mensch entwickelt nicht stets das
gleiche Genie, sonst wäre er zu gottähnlich. Nach vier
58
Jahren eines Lebens ohne seelische Erschütterungen,
ohne ein Wort, das den geringsten Mißton in dies sanfte
Gefühlskonzert gebracht hätte, als die Gräfin sich wie
eine schöne Pflanze in gutem Boden voll entwickelt hatte
und unter den Liebkosungen einer wohltätigen Sonne
gedieh, die an einem ewig blauen Himmel strahlte, ge-
schah es, daß sie sich sozusagen auf sich selbst besann.
Diese Krisis ihres Lebens, der Gegenstand der vorhin
geschilderten Szene, wäre ohne Erklärungen unbegreif-
lich. Nur durch sie läßt sich vielleicht in den Augen der
Frauen das Unrecht der jungen Gräfin mildern, die eben-
so glücklich als Gattin wie als Mutter war, ein Unrecht,
das auf den ersten Blick unentschuldbar erscheinen muß.
Leben entsteht aus dem Gegenspiel zweier Grundtriebe;
fehlt der eine, so leidet der andre. Indem Vandenesse alle
Wünsche befriedigte, unterdrückte er das Verlangen, die
Krone der Schöpfung, das eine ungeheuere Fülle von
Seelenkräften ins Werk setzt. Die äußerste Glut, das
tiefste Unglück, das vollkommene Glück, alles Unbe-
dingte herrscht in unfruchtbaren Gebieten. Sie wollen
allein sein und ersticken alles, was nicht wie sie ist. Van-
denesse war keine Frau, und allein die Frauen verstehen
die Kunst, Abwechslung in das Glück zu bringen. Daher
ihre Gefallsucht, ihr Neinsagen, ihre Streitlust und die
klugen, geistvollen Torheiten, mit denen sie heute etwas
in Frage stellen, was gestern keinerlei Schwierigkeit bot.
Männer können durch ihre Beständigkeit langweilen,
Frauen nie. Vandenesse war ein zu grundgütiger Charak-
ter, um eine geliebte Frau absichtlich zu quälen; er trug
sie in die blaueste, wolkenloseste Unendlichkeit der Lie-
be. Das Problem der ewigen Seligkeit gehört zu denen,
die Gott allein im nächsten Leben zu lösen vermag. Auf
59
Erden haben die größten Dichter ihre Leser mit der
Schilderung des Paradieses ewig gelangweilt. Dantes
Klippe war auch die des Grafen Vandenesse: Ehre dem
erfolglosen Mute! Seine Frau fand ein so trefflich geord-
netes Eden schließlich etwas eintönig. Das vollkommene
Glück, das die erste Frau im irdischen Paradies empfand,
rief bei ihr jene Übelkeit hervor, die der Genuß alles Sü-
ßen auf die Dauer hervorruft. Es flößte der Gräfin den
gleichen Wunsch ein, den Rivarol bei der Lektüre von [ Pobierz caÅ‚ość w formacie PDF ]
zanotowane.pl doc.pisz.pl pdf.pisz.pl exclamation.htw.pl
machte sich zwei Jahre lang zu ihrem Haushofmeister. Er
erklärte seiner Frau langsam und mit großem Geschick
alle Verhältnisse des Lebens, weihte sie Schritt für
Schritt in die Geheimnisse der hohen Gesellschaft ein,
brachte ihr die Genealogie aller adligen Häuser bei, lehrte
sie die Welt kennen, war ihr Berater in der Kunst der
Toilette und der Unterhaltung, führte sie von Theater zu
Theater, ließ sie einen Literatur- und Geschichtskursus
durchmachen. Diese Erziehung vollendete er mit der
Sorgfalt des Liebhabers, des Vaters, des Herrn und Gat-
ten. Doch hielt er in wohlverstandener Mäßigung mit den
Freuden und Lehren Haus, ohne die religiösen Vorstel-
lungen zu vernichten. Kurz, er führte sein Unternehmen
mit vollendeter Meisterschaft durch.
Nach Verlauf von vier Jahren hatte er zu seiner Genug-
tuung die Gräfin von Vandenesse zu einer der liebens-
würdigsten und hervorragendsten Frauen der Neuzeit
gemacht. Maria Angelika hegte für Felix genau das Ge-
fühl, das er ihr einzuflößen wünschte: wahre Freund-
schaft, vollempfundene Dankbarkeit und schwesterliche
Liebe, die sich zur rechten Zeit mit edler und würdiger
Zärtlichkeit mischte, wie sie zwischen Mann und Frau
herrschen soll. Sie wurde Mutter und war eine gute Mut-
ter. Felix fesselte seine Frau also durch alle möglichen
Bande an sich, ohne daß er sie zu knebeln schien. Von
den Reizen der Gewohnheit erhoffte er sich ein wolken-
loses Glück. Solche Weisheit und ein solches Verfahren
ist nur für Männer möglich, die das Leben von Grund aus
kennen und den Zirkel der Enttäuschungen in der Politik
wie in der Liebe durchmessen haben. Zudem hatte Felix
57
an seinem Werk eine echte Künstlerfreude, genau wie ein
Maler, ein Schriftsteller, ein Baumeister, der ein Denk-
mal aufrichtet. Ja, er genoß es doppelt, indem er sich sei-
nem Werk widmete und den Erfolg sah, indem er seine
erfahrene und naive, geistreiche und natürliche, liebens-
würdige und keusche Frau bewunderte, die, junges Mäd-
chen und Mutter zugleich, völlig frei und doch gefesselt
war. Die Geschichte der glücklichen Ehen gleicht der
Geschichte der glücklichen Völker. Sie läßt sich in zwei
Zeilen schreiben und hat nichts von Literatur. Und da das
Glück sich nur durch sich selber erklären läßt, so können
diese vier Jahre nichts liefern, was nicht zart ist wie das
Leingrau ewiger Liebe, fad wie Manna und nicht unter-
haltender als ein Schäferroman.
Im Jahre 1833 drohte das Gebäude des Glückes, das Fe-
lix gezimmert hatte, einzustürzen. Es war in seinen
Grundfesten erschüttert, ohne daß er es ahnte. Das Herz
einer fünfundzwanzigjährigen Frau ist nicht mehr das
gleiche, wie das eines achtzehnjährigen Mädchens, eben-
so wie das Herz einer Vierzigjährigen nicht das der Drei-
ßigjährigen ist. Es gibt vier Lebensalter im Frauenleben.
Jedes Alter schafft eine neue Frau. Sicherlich kannte
Vandenesse die Gesetze dieser Veränderungen, die Fol-
gen unsrer heutigen Sitten, aber er vergaß sie bei sich
selbst, wie der beste Grammatiker die Regeln vergessen
kann, wenn er ein Buch schreibt, wie der größte Feldherr
sich im Drange der Schlacht von den Zufällen der
Kriegslage hinreißen läßt, ein unumstößliches Gesetz der
Kriegskunst zu vergessen. Ein Mensch, der den Gedan-
ken fortwährend in die Tat umsetzen kann, ist ein Genie,
aber auch der genialste Mensch entwickelt nicht stets das
gleiche Genie, sonst wäre er zu gottähnlich. Nach vier
58
Jahren eines Lebens ohne seelische Erschütterungen,
ohne ein Wort, das den geringsten Mißton in dies sanfte
Gefühlskonzert gebracht hätte, als die Gräfin sich wie
eine schöne Pflanze in gutem Boden voll entwickelt hatte
und unter den Liebkosungen einer wohltätigen Sonne
gedieh, die an einem ewig blauen Himmel strahlte, ge-
schah es, daß sie sich sozusagen auf sich selbst besann.
Diese Krisis ihres Lebens, der Gegenstand der vorhin
geschilderten Szene, wäre ohne Erklärungen unbegreif-
lich. Nur durch sie läßt sich vielleicht in den Augen der
Frauen das Unrecht der jungen Gräfin mildern, die eben-
so glücklich als Gattin wie als Mutter war, ein Unrecht,
das auf den ersten Blick unentschuldbar erscheinen muß.
Leben entsteht aus dem Gegenspiel zweier Grundtriebe;
fehlt der eine, so leidet der andre. Indem Vandenesse alle
Wünsche befriedigte, unterdrückte er das Verlangen, die
Krone der Schöpfung, das eine ungeheuere Fülle von
Seelenkräften ins Werk setzt. Die äußerste Glut, das
tiefste Unglück, das vollkommene Glück, alles Unbe-
dingte herrscht in unfruchtbaren Gebieten. Sie wollen
allein sein und ersticken alles, was nicht wie sie ist. Van-
denesse war keine Frau, und allein die Frauen verstehen
die Kunst, Abwechslung in das Glück zu bringen. Daher
ihre Gefallsucht, ihr Neinsagen, ihre Streitlust und die
klugen, geistvollen Torheiten, mit denen sie heute etwas
in Frage stellen, was gestern keinerlei Schwierigkeit bot.
Männer können durch ihre Beständigkeit langweilen,
Frauen nie. Vandenesse war ein zu grundgütiger Charak-
ter, um eine geliebte Frau absichtlich zu quälen; er trug
sie in die blaueste, wolkenloseste Unendlichkeit der Lie-
be. Das Problem der ewigen Seligkeit gehört zu denen,
die Gott allein im nächsten Leben zu lösen vermag. Auf
59
Erden haben die größten Dichter ihre Leser mit der
Schilderung des Paradieses ewig gelangweilt. Dantes
Klippe war auch die des Grafen Vandenesse: Ehre dem
erfolglosen Mute! Seine Frau fand ein so trefflich geord-
netes Eden schließlich etwas eintönig. Das vollkommene
Glück, das die erste Frau im irdischen Paradies empfand,
rief bei ihr jene Übelkeit hervor, die der Genuß alles Sü-
ßen auf die Dauer hervorruft. Es flößte der Gräfin den
gleichen Wunsch ein, den Rivarol bei der Lektüre von [ Pobierz caÅ‚ość w formacie PDF ]